Wo der Nachbar hinter dem Horizont wohnt
Patagonien 1. Etappe der Südamerikafahrt
Viele Jahre lang hatte ich einen Traum, ich wollte mit dem Motorrad durch Patagoinien reisen, die Weite der Landschaft erleben, mir den ständigen Wind um die Ohren wehen lassen, in Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt ein Eis essen und die grandiosen Berge und Gletscher der Südanden bewundern.
Beim Tesch Motorradfernreisetreffen im Früjahr 1999 hörte ich vom geplanten Silvester-Motorradreisendentreffen in Ushuaia. Ich war sofort Feuer und Flamme und fing an die Tour zu planen. Aber die exorbitant hohen Kosten für den Motorradtransport von über 5000DM hin und zurück ließen mich davor zurückschrecken. Aber es hatten sich noch andere mit dem Patagonienvirus infiziert, und so flogen im Dezember 6 Motorräder nach langen Verhandlungen mit vielen Speditionen auch zu einem vertretbaren Preis, nach Buenos Aires. Meine Transalp war inzwischen mit einem neuen Technoflex Federbein, TKC80 Reifen, Expeditions-Aluboxen von Guido Schmitz und einem kräftigen Alu-Motorschutz bestens ausgerüstet.
Die Zollabfertigung am Flughafen in Buenos Aires war innerhalb von 1 Stunde erledigt, beim Zusammenbau der Maschinen packten die Lagerarbeiter mit an, und der Chef spendierte jedem von uns eine Cola. Auch der Empfang in der Stadt hätte nicht besser sein können. Claudia und Gabriel, ein befreundetes Motorradfahrerpärchen lud uns zum Asado zu sich nach Hause ein. Die Grillfete dauerte die halbe Nacht, und es gab Fleisch bis zum Abwinken. Mit vielen guten Tips verließen wir die 12 Millionenmetropole und fuhren auf der Routa 3 immer nach Süden. Nach 500km erreichten wir die ersten Kurven seit Buenos Aires in der Sierra de la Ventana, dahinter änderte sich die Landschaft, es wurde trockener, Bäume wuchsen nur noch an Wasserläufen. Wir fragten einen zufällig vorbeikommenden Motocrossfahrer nach einem guten Platz zum campen. Er lud uns zuerst auf ein Eis in sein Eiscafe ein, und es gab hervorragendes Dulce de Leche Granizado und Bananensplit Eis. Argentinien hat hervorragende Eiscafes, und in Buenos Aires gibt es sicher mehr Eiscafes als in Rom und Mailand zusammen. Er zeigte uns dann eine wunderschöne Lagune mit breitem Strand in der Nähe des Dorfes. Kaum hatten wir die Zelte aufgebaut, zogen dunkle Wolken heran. Zusammen mit der untergehenden Sonne färbte sich der Himmel tiefrot, die Woken glühten, es schien als ob der Himmel brennt. Es war einer der spektakulärsten Sonnenuntergänge den ich je gesehen habe. Danach gab es noch eine kräftige Regendusche mit Blitz und Donner.
Südlich von Viedma bogen wir auf eine kleine Piste ab, die direkt an der Steilküste entlangführte. Eine riesige Seelöwenkolonie in La Loberia ist die Hauptattraktion der gegend. Aber mit Enduros sind die menschenleeren, kilometerlangen Strände der Gegend auch sehr reizvoll. Obwohl auf der Karte keine Piste eingezeichnet war, konnte man ohne Probleme 100km weit fahren, es gab nur ein kleines Dorf welches von Wanderdünen fast eingeschlossen war.
Irgendwann endete die schöne Piste wieder an der asfaltierten Nationalstrasse 3. 1500km südlich von Buenos Aires kostete der Liter Benzin statt 1,10$ nur noch 45 cent. Wegen der großen Entfernungen und der sehr dünnen Besiedelung im Süden des Landes verzichtet der Staat auf die Mineralölsteuer .
Die große, weit in den Atlantik hineinragende Valdez Halbinsel steht wegen ihres Wildreichtums vollständig unter Naturschutz. Leider waren wir wenige Tage zu spät, um noch die Wale zu sehen, die sich bis Mitte Dezember vor dem kleinen Hafenstädtchen Puerto Piramides aufhalte. Aber eine Rundfahrt auf hervorragenden Schotterpisten brachte uns doch zu Pinguinkolonien, Seelöwenstränden, Nandugebieten und Guanacoweiden.
Zweihundert Kilometer weiter südlich, in Punta Tombo mußten wir auf der Piste zum Parkplatz durch eine Pinguinkolonie fahren. Vorfahrt haben die Tiere, sie watscheln hin und her und kümmern sich nicht im Geringsten um den Verkehr. Eine halbe Million Magellanpinguine leben in dieser Kolonie. Nur ein kleiner Teil davon ist für Besucher zugänglich. Die neugierigen Tiere inspizierten mit Vorliebe unsere Motorradstiefel und die Protektoren an den Knien.
Meinen ersten Sturz hatte ich südlich von Punta Tombo. Wir fuhren auf einer guten Schotterpiste als nach einer trockenen, betonierten Bachbettdurchfahrt mehrere tiefe Bodenwellen auftauchten. Dafür war meine Transalp etwas schnell, und so schlingerte ich in tiefen Schotter und rutschte weg. Mein rechter Fuß griet unter die Alubox, aber es war nur eine Prellung oder Stauchung und so konnte ich nach einigen Richtarbeiten an Koffern und Lenker und Sturzbügel weiterfahren. Ich war mir danach nicht mehr so sicher, ob es an der Transalp oder an mir lag, daß ich diese Bodenwellen nicht so souverän wie die KTMs bewältigt hatte.
Wir passierten die langweiligen großen Städte Comodoro Rivadavia und Caleta Olivia, das Zentrum der Ölförderung in Argentinien und erreichten dann die patagonische Wüste. Hier wuchs kaum noch ein trockener Grasbüschel. Wir hatten schon seit 1000km keine grünen Wiesen oder Bäume mehr gesehen, aber hier war es absolut trostlos. Auch die Entfernung zwischen den Dörfern betrug selbst an der Hauptstrasse oft mehr als 300km. Dementsprechend groß war auch der Abstand zwischen den Tankstellen. Der permanenet Westwind hatte Sturmstärke angenommen, man fuhr ständig in Schräglage, selbst auf den langen Geraden. Es gab nur die Straße, den Wind, den Horizont und hin und wieder einen entgegenkommenden Truck. Hier grüßt jeder jeden, so selten siehtr man einen Menschen.
Im kleinen Hafenstädtchen Puerto San Julian feierten wir Weihnachten. An diesem geschichtsträchtigen Ort soll Magellan Wasser aufgenommen haben und auf einer vorgelagerten Halbinsel die erste Messe Argentiniens gelesen haben. Wir konzentrierten uns auf die weltlichen Freuden. Ralf und Klaus kochten auf drei Campingkochern und dem Grill ein 7 Gängemenu vom Feinsten.
Drei windige und zunehmend kühler werdende Tage später erreichten wir die Magellanstraße an der Punta Delgada Fähre über die Primera Angostura. Wir setzten nach Feuerland über und hier schien der Sturm noch stärker über die kahlen Hügel zu toben. Mitten im großen Nichts tauchte die Stadt Rio Grande auf. Da es auch hier keine Bäume gibt, hat man Straßenlaternen und anderen Beton-Straßenschmuck in bunten Farben gestrichen. In einem großen Supermarkt machte Ralf eine für ihn lebensrettende Entdeckung. Es gab Nutella. Seine wohldosierte Urlaubsportion hatte dem massiven Ansturm von 6 Nutella begeisterten Motorradfahren nicht lange stand gehalten. Alle Supermärkte seit Buenos Aires führten Nutella nicht, und es drohte eine längere Abstinenz, die vor allem für Ralf sehr unangenehm gewesen wäre.
Kurz hinter Rio Grande wurden die Weiden grün, kleine Bäche durchzogen das Land, windzerzauste Bäume tauchten auf. Es waren die ersten Bäume seit 2500km, ein phantastischer Anblick. Je weiter wir nach Süden kamen, desto alpiner wurde die Landschaft, Seen, Wälder und schneebedeckte Berge kamen ins Blickfeld, die Straße schraubte sich zum Garibaldi Pass hoch. Die Abfahrt nach Ushuaia erinnerte an Alaska oder Kanada. Wälder, Biberburgen, Sümpfe, Wiesen und vergletscherte Berge. Welch eine Wohltat für die Sinne nach wochenlanger Eintönigkeit. Es gab sogar ein Skigebiet und eine Schlittenhundefarm.
Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt liegt malerisch an den Hängen der Darwin Kordillere direkt am Beagle Kanal, der breiten Wasserstraße die Feuerland im Süden begrenzt. Die 50.000 Einwohner leben von der Industrie, dem Tourismus und den Versorgungseinrichtungen für diverse Antarktisstationen. Insbesondere der Tourismus hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Viele Touristen möchten die südlichste Stadt der Welt besuchen und auch von hier in die Antarktis starten.
Wir wandten uns aber zuerst profaneren Dingen zu und duschten in einer großen Tankstelle. Dort standen bereits zwei Motorräder aus der Nähe von Göttingen. Sandra und Jörg, die eine Woche vor uns gestartet waren, und bereits beim informellen Millenium Motorradtreffen auf dem Laguna Verde Campground im nahegelegenen Tierra de Fuego Nationalpark. Etwa vierzig Motorradfahrer aus vielen Ländern hatten sich dort zum Jahreswechsel versammelt. Es herrschte eine tolle Athmosphäre, jeden Abend gabs am Lagerfeuer stundenlange Gespräche über die oft abenteuerlichen Reisen, dazu Julias Glühwein bis zum Abwinken, und häufig riesige saftige Argentinische Steaks. Nach der strapaziösen Anfahrt verbrachten wir entspannende Tage auf dem schön auf einer Halbinsel in der Lagune gelegenen Campingplatz. Wanderungen zu nahegelegenen Seen und das obligatorische Foto am Ende aller Straßen an der Bahia Lapataia vertreiben die Zeit.
Den Sylvesterabend 1999 verbrachten wir standesgemäß mit einem auf mehreren Campingkochern zubereiteten Fondue. Im Anschluß fuhren wir in die Stadt, wo zur Feier des Jahres 2000 ein riesiges Feuerwerk veranstaltet wurde. Das neue Jahr begann mit einer spontan in Ushuaia gebuchten 11 tägigen Antarktiskreuzfahrt. Auf der MS Bremen waren noch über 30 Plätze frei, sodaß diese in Ushuaia für 1500$ angeboten wurden. Insgesamt waren 14 Motorradfahrer an Bord. Ich hatte zur Feier des Tages meine betagte Jeans gewaschen und ein Souvenirsweatshirt gekauft. Das musste für das Kapitänsdinner reichen.
Den Sylvesterabend 1999 verbrachten wir standesgemäß mit einem auf mehreren Campingkochern zubereiteten Fondue. Im Anschluß fuhren wir in die Stadt, wo zur Feier des Jahres 2000 ein riesiges Feuerwerk veranstaltet wurde. Das neue Jahr begann mit einer spontan in Ushuaia gebuchten 11 tägigen Antarktiskreuzfahrt. Auf der MS Bremen waren noch über 30 Plätze frei, sodaß diese in Ushuaia für 1500$ angeboten wurden. Insgesamt waren 14 Motorradfahrer an Bord. Ich hatte zur Feier des Tages meine betagte Jeans gewaschen und ein Souvenirsweatshirt gekauft. Das musste für das Kapitänsdinner reichen.
Nach der grandiosen Antarktiskreuzfahrt stand meine Transalp noch beim Motorradhändler in Ushuaia und wartete auf mich. Auch das Zelt, welches ich zum Trocknen über einen Balken der Scheune gehangen hatte, war trocken und ordnungsgemäß zusammengerollt. Mit Ellen und Gerd, die mit einer Tenere und einer DR350 unterwegs waren, nahm ich die lange Fahrt nach Norden in Angriff. Die Fahrt durch die Darwin Berge erinnerte wieder an Alaska, aber das Wissen, dass weiter nördlich Sturm, Steppe und die unendliche Weite Patagoniens auf uns warteten, drückte etwas die Stimmung. Wir passierten die Grenze nach Chile, und suchten fast eine Stunde nach einem windgeschützten Platz, um die Zelte aufbauen zu können. Wir fanden ihn schließlich in einem Baggerloch neben der Straße. Später kam noch ein VW-Bus aus Wuppertal hinzu. Auch sie hatten vergeblich versucht, einen Platz zu finden, wo keine Gefahr besteht, mit dem Fahrzeug weggeweht zu werden. Die Schotterpisten auf Feuerland ließen sich gut befahren, lediglich vereinzelte LKW und eine Schafherde sorgten für etwas Abwechslung.
An der Fähre zum Festland trauten wir unseren Augen nicht. Eine kilometerlange Schlange wartete auf die Überfahrt. Auch das einzige Restaurant weit und breit hatte geschlossen. Wir erfuhren, dass heute Wahltag sei, und alle Einwohner Chiles zur Wahl gehen müssen. Daher ruht das öffentliche Leben. Niemand konnte uns sagen, wann die Fähre wieder fahren würde. Erst nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr fuhr die erste Fähre vom anderen Ufer los. Als Motorradfahrer waren wir glücklicherweise auf der ersten Fähre dabei. Wir fuhren auf der gut ausgebauten Straße Richtung Punta Arenas. Auch hier blies der Wind mit Sturmstärke, sodaß wir auf einer Estancia nach einem Nachtlager fragten. Man bot uns eine kleine Wiese im Schutz von Bäumen oder den Tischtennisraum an. Dazu gabs noch ein paar Scheiben Brot mit Dulce de Leche, eine Caramaelcreme die in Chile und Argentinien oft Marmelade und Nutella ersetzt.
Nahe der Pazifikküste sahen wir die ersten Fjorde und Gletscher der chilenischen Küste. Auch das Wetter hatte sich geändert, statt Sonnenschein und Dauersturm gab es jetzt Wolken, Wind und Regen. Das kleinen Städtchen Puerto Natales ist Ausgangspunkt für den auch die Dolomiten Südamerikas genannten Torres del Paine Nationalpark. Hier füllten wir die Vorräte auf und fuhren auf der breiten Piste durch ein breites Bergtal zum Nationalpark.
Die über dreitausend Meter aufragenden Felstürme grüßen bereits aus der Ferne. Im Park selbst beeindrucken nicht nur die senkrechten Felstürme, sondern auch die großen Seen, mächtige Wasserfälle, große Gletscher und das immer wechselnde Wetter. Wir sahen Guanakos, Kondore, Rheas, Flamingos und einen Fuchs. Als wir an einem Aussichtspunkt mit atemberaubendem Blick über einen fjordartigen See zu den zentralen Felstürmen unsere Mittagspause hielten, sahen wir, dass der Wind Wasserwolken aus dem See aufs Land trieb. Wenige Minuten später flogen an unserm Aussichtspunkt die Helme und alles was nicht absolut fest stand durch die Gegend. Selbst die Motorräder drohten umgeweht zu werden. Wir suchten uns einen etwas windgeschützten Platz und fuhren vorsichtig weiter. Als wir eine Anhöhe erreichten, wurden Ellen und ich einfach umgeblasen. Wir hatte keine Chance die Motorräder zu halten. Gerd schaffte es noch anzuhalten, aber kaum war er abgestiegen, wurde auch sein Motorrad vom Sturm umgeweht.
Trotzdem ereichten wir unser Ziel, einen kleinen windgeschützt gelegenen Campingplatz ohne größere Problem. Dort bauten wir ein Zelt auf, ließen alles was wir nicht brauchten dort zurück, und wanderten in die Berge. Aber über Nacht hatte sich das Wetter verschlechtert, wir wachten vom Plätschern des Regens auf. Ellen und Gerd gingen dennoch hoch, sahen aber von den Felswänden nicht viel. Der Abstieg war interessant, insbesondere die wackligen Holstämme die als Brücke über der reißenden Bergbach dienten waren nach dem Regen sehr glitschig.
Nach Verlassen des Torres del Paine Parks verabschiedete ich mich von Ellen und Gerd, die zurück nach Puerto Natales fuhren, während ich weiter nach Norden, zu den kalbenden Gletschern bei Calafate in Argentinien fuhr. Der Perito Moreno Gletscher bietet ein unglaubliches Naturschauspiel. Er schiebt sich auf 4km Breite aus dem unendlich erscheinenden patagonischen Eisfeld in den Lago Argentino. Durch die Vorwärtsbewegung werden immer wieder Teile abgesprengt, die dann mit lautem Gepolter in den See stürzen. Auf den Aussichtsplattformen am gegenüberliegenden Ufer hat man einen grandiosen Blick auf die 60m hohen Eiswände. Ich könnte Tage damit verbringen, den Gletscher zu beobachten und auf den großen Abbruch zu warten. Leider fehlte mir die Zeit, denn der ungeplante Antarktisausflug hat fast zwei, allerdings unvergessliche, Wochen aus meiner Patagonientour genommen.
Der geplante Abstecher zum Fitzroy Nationalpark wurde von einem Regengebiet vereitelt. So nahm ich die berüchtigte Routa 40 schon früher unter die Räder als ich es erwartet hatte. Die Straße führt von Rio Gallegos im Süden bis nach La Quiaca, über fast 5000km immer entlang der Anden durch Argentinien. Der Abschnitt zwischen Calafate und Perito Moreno (Stadt) ist etwa 800km lang. Unterwegs gibt es nur einige Estancias und zwei Tankstellen. Dort haben sich auch einige Häuser angesiedelt. Ansonsten ist man mit der Weite Patagoniens, dem ständigen Sturm und den eigenen Gedanken alleine. 800km Einsamkeit, die nur selten von entgegenkommenden Fahrzeugen unterbrochen wird.
Wenige Kilometer nachdem der Asphalt bei Calafate endete, begrüßte mich eine Tiefsand Passage. Mit viel Gas und etwas Glück kam ich ohne Sturz durch. An der Tankstelle in Tres Lagos traf ich mehrere Motorradfahrer aus den USA und Südafrika. Ihnen standen die Anstrengungen von der vor mir liegenden Piste ins Gesicht geschrieben. Sie erzählten wahre Horrorgeschichten über den Straßenzustand und den ständigen Wind. Mit einem flauen Gefühl im Bauch fuhr ich weiter. Die Piste war anfangs gut befahrbar, sie glich einem besseren Feldweg. Immer wieder boten sich tolle Ausblicke auf die hügelige Steppe, im Hintergrund ragten die schneebedeckten Anden auf. Kein Baum und kein Strauch war zu sehen. Es ging mehrere hundert Kilometer durch eine leere Landschaft. Nördlich des Lago Cardiel bestand die Piste aus losem Geröll. Die wenigen Fahrzeuge, die hier täglich durchfahren, haben tiefe Fahrspuren hinterlassen. Durch den starken Seitenwind war es aber mit dem Motorrad sehr schwierig, in diesen reifenbreiten Spuren zu bleiben. Und so eierte ich immer wieder durch den losen Schotter. Teilweise konnte man im Straßengraben besser fahren als auf der Fahrbahn. Nach etwa 350 einsamen Kilometern erreichte ich die staubige Siedlung Bajo Caracoles. Dort gibt es die einzige Tankmöglichkeit bis Perito Moreno.
Auf dem weiteren Weg nach Norden besuchte ich die in einem schönen Canyon gelegenen Felszeichnungen der Cueva de los Manos. Die Ureinwohner haben hier vor etwa 1000 Jahren an überhängenden Felswänden Tier und Handzeichnungen hinterlassen.
Am großen Lago Buenos Aires, der auf chilenischer Seite Lago General Carrera heißt, übernachtete ich auf dem netten Campingplatz direkt am kühlen See. Dort machte ich dann die Bekanntschaft mit den Campinggewohnheiten der Südamerikaner. Gegen 22 Uhr wurde der Grill angeworfen, das Autoradio auf Discostärke hochgedreht und dann gabs bis gegen 4 Uhr morgens Asado, Fleisch bis zum Abwinken. Noch geschafft von der anstrengenden Fahrt auf der Routa 40, packte ich mein Zelt und suchte mir ein ruhigeres Fleckchen.
Am nächsten Tag überquerte ich die Grenze nach Chile, die Asphalt endete, und die schmale Piste wand sich durch das Steilufer des Lago General Carrera. Immer wieder musste ich bei entgegenkommenden Fahrzeugen,, die meist die unübersichtlichen Kurven schnitten, ausweichen. Bei wolkenlosem Himmel erreichte ich die Carretera Austral, Chiles abenteuerliche Piste in der Wildnis des Südens. Im südlichen Abschnitt führt sie entlang des schäumend über Wasserfälle und Stromschnellen fließenden Rio Bakker. Von den Bergen glänzten die gewaltigen Gletscher des nördlichen patagonischen Eisfeldes. Nach einem kurzen Abstecher im kleinen Städtchen Cochrane fuhr ich weiter nach Norden. Die Landschaft glich den Alpen, aber ohne die Menschen. Eine urwüchsige Landschaft, wo die wenigen Siedlungen nur durch die 1000 Kilometer lange Piste verbunden sind. Als ich in Coyhaique, der größten Stadt entlang der Carretera eine Ampel sah, wurde mir bewusst, das ich schon seit Wochen keine Ampel mehr gesehen hatte. Die Stadt war mir zu hektisch und so fuhr ich weiter, vermied die asphaltierten Abschnitte so gut es ging. Die Piste schlängelte sich durch Nationalparks mit riesigen Urwaldgebieten, entlang von Flüssen und Seen. Ich hatte Glück mit dem Wetter, nur wenige Regenschauer unterbrachen den Sonnenschein. In dieser Gegend regnet es normalerweise sehr viel. Bei Futualeufu überquerte ich wieder die Grenze nach Argentinen und beobachtete den durch die dortige Steppenlandschaft dampfenden Patagonien Express.
Durch den schönen Los Alerces Park erreichte ich Bariloche, das größte Tourismuszentrum in den Argentinischen Anden. Nicht nur die Landschaft erinnert an die Schweiz, auch viele Gebäude sind im Stil der schweizer Alpen erbaut. Im Anschluß überquerte ich die Grenze nach Chile, und besuchte das Seenland. Leider hatte sich dort ein Regengebiet eingenistet, sodaß ich von den formvollendeten Vulkanen nicht viel zu sehen bekam. Allerdings schmeckte mir der Kuchen in den deutschen Cafes von Frutillar, einem Zentrum der deutschen Auswanderer, bei Regenwetter noch besser als sonst. Weiter im Norden fuhr ich über den winzigen Grenzübergang am Carririne Pass. Die Piste war so schmal, und wirkte unbenutzt. Das Gras wuchs zwischen den beiden Fahrspuren die sich immer weiter in den dichten Wald hineinzogen, sodaß ich das einzige entgegenkommende Fahrzeug anhielt und mich vergewisserte, das dies die Piste zum Grenzübergang war.
In Pucon, einem touristischen Zentrum am Lago Villarica, direkt unterhalb des 2840m hohen, rauchenden gleichnamigen Vulkans bleib ich nur kurz. Die Menschenmassen waren mir einfach zu viel. Ein Ausflug in ein kleines Thermalbad und zu den Wasserfallen Ojos de Caburga waren eine angenehme Abwechslung.
In der Nähe von Loquimay traf ich auf Kalle mit seiner F650. Wir hatten uns bereits in Ushuaia kennen gelernt. Er hatte sein Zelt im Garten eines schweizerischen Paares aufgeschlagen. Sie haben eine Farm gekauft, das Haus aufwendig renoviert und ein kleines touristiscjhes Zentrum mit Hütten, Matrazenlager und Zeltplatz geschaffen. Von hier aus erklomm ich zusammen mit einigen anderen Gästen den Vulkan Loquimay und genoß die Fernsicht auf 12 weitere Vulkane in der Umgebung. Auch ein Ausflug in den schönen Conguillo Nationalpark, welcher vom schneebedeckten Vulkan Llaima überragt wird war von hier aus möglich.
Allerdings ging es langsam auf das Ende des Urlaubs zu, und ich musste die Unterbringung der Transalp organisieren. Daher fuhr ich Richtung Concepcion am Pazifik und besuchte Raul und seine Familie in Penco. Dort durfte ich die Maschine im Hof abstellen. Nachdem ich mich von ihr und ihrer netten Gastfamilie verabschiedet hatte, nahm ich den Schlafwagenzug nach Santiago. In den Salonwagen, gebaut 1930 in Breslau, kamen Orient Express Gefühle auf. Kronleuchter an der Decke, Plüsch und Brokatbezüge an den Wänden, alles etwas verblasst aber liebevoll gepflegt.
Nach 9 Wochen voller Erlebnisse und beeindruckender neuer Erfahrungen, bestieg ich bei 35 Grad das Flugzeug in Santiago und flog zurück in den deutschen Spätwinter.