Enduromania 2005: Team Betablocker-(Sonntags-)Story
Drei Motorräder im Schlamm, ein Traktor mit Anhänger und vier starke Rumänen
Es sollte nur ein Aufwärmen für die am nächsten Tag beginnenden Enduromania werden. Ein Teil unseres Teams mit Karsten und seiner KTM, Heyko und mir mit unseren Transalps wollte einen geruhsamen Motorrad-Sonntag verbringen und so brachen wir am Morgen des 03.07.2005 zu einer geplanten Schotter-Tour zum Muntele Mic auf. Wir hatten dieses Ziel wohlweislich auf Anraten eines Tourguides gewählt, da an den Tagen zuvor viel Regen gefallen war und einige Strecken mit etlichen Schlammwegen nichts für unsere Dickschiffe wären.
Dass der rumänische Schlamm anders war, hatten wir bereits samtags noch mit Klemens, der am Sonntag eine kleine Pause machte, bei einer kleinen Waldtour feststellen können.
Von der Schule in Brebu Nou fuhren wir auf der Holperstrecke nach Slatima Timis und von dort auf der E 70 nach Caransebes, wo wir rechts Richtung Borlova abbiegen wollten.
Doch mangels Ortskenntnis und fehlender Schilder verpassten wir die Straße.
Nun machten wir den ersten Fehler: wir kehrten nicht um, sondern fuhren weiter Richtung Var, um hier rechts nach Cicleni abzubiegen. Jedenfalls dachten wir, dass ein Weg von Var nach Cicleni führt. Wir waren auch unerfahren genug, es mit unseren Mühlen bei den Bodenverhältnissen zu versuchen, und verfranzten uns trotz GPS total.
Wieder machten wir den Fehler und kehrten nicht um. Wir probierten verschiedene Wege aus, fuhren uns mehrfach in Sackgassen fest. Das GPS gab zwar die Richtung vor, doch was nutzt einem das, wenn kein fahrbarer Weg in die Richtung führt.
Dann der Super-Gau: an Heyko`s Alp brannte die Kupplung bei einer Bergauf-Schlammpassage durch! Bei 77.000 Kilometern kann schon einmal eine Kupplung den Geist aufgegeben, aber musste das ausgerechnet mitten im unwegsamen Gelände sein?
Da half es nichts, Karsten und ich mussten Heyko zurücklassen und Hilfe holen.
So brachen wir auf und suchten einen Weg raus aus dem Schlamassel. Nachdem wir uns wieder mehrfach verfahren hatten, fanden wir den in unseren Augen richtigen Weg und kamen nach Bachdurchfahrten und Schlammwegen in ein kleines, kaum bewohntes Örtchen. Ich war so froh, ein Gehöft zu sehen, dass meine Konzentration bei der Schotterauffahrt nachlies, ich einen größeren Felsbrocken übersah, der meine Alp nach rechts umschmiss und mir einige Meter Flugeinlage einbrachte. Doch außer ein wenig Materialschaden an der rechten Seite der Alp, einem großen Hämatom am linken Oberschenkel und einem eingerissenen rechten Daumen war nichts passiert und wir waren wieder startklar..
Da außer drei alten Frauen, die in einem Hauseingang auf den Treppenstufen saßen und mich mitleidig aber auch kopfschüttelnd anschauten, niemand zu sehen war, setzten wir unseren Weg fort, zumal nach einem mit Händen und Füßen geführten Gespräch feststand, dass in diesem Anwesen kein Traktor aufzutreiben war.
Doch nun stand uns der schwierigste Teil der Strecke bevor: Ein in Kurven steil nach oben führender Hohlweg mit bis zu 1,5 Meter tiefen, mit Schlamm gefüllten Spuren. Dazu noch einige ca. 50 cm hohe Absätze aus querliegenden dünnen Baumstämmen und Ästen. Äußerst mühsam qälten Karsten und ich unsere Motorräder gemeinsam Meter für Meter nach oben. Dies brachte uns an den Rand unserer Leistungsfähigkeit und wir sackten des öfteren für immer längere Pausen zusammen. Doch nach zähem Kampf überwanden wir die ca. 800 Meter Strecke in mehr als 2 Stunden.
Kurze Zeit später waren wir auf der Höhe angekommen und es ging relativ problemlos nach unten in Richtung der Ortschaft Dalci. Von Dalci nach Borlova zu Zacharias war es nur ein kurzes Stück. Zacharias war von Sergio, den wir zuvor telefonisch über unser Missgeschick informiert hatten, bereits unterrichtet worden. Zacharias besitz zwar einen Traktor, der aber nicht für eine derartige Strecke geeignet war. So hatte er bereits einen Bekannten zu Hilfe gebeten, der für 1,5 Mio. Lei einen Allrad-Traktor mit Anhänger zur Verfügung stellen konnte. Dazu organisierte Zacharias noch drei kräftige, junge Rumänen, die uns für ein Taschengeld beim Abtransport der defekten Alp behilflich sein wollten.
Zusammen mit diesem Team fuhren wir zurück nach Dalci, wo wir unsere Motorräder bei einer freundlichen Familie im Hof abstellen durften. Dann ging es mit dem Traktor und Anhänger weiter bis zum Fuße der Anhöhe. Hier musste der Anhänger stehen bleiben und es ging nur noch mit dem Traktor und zu Fuß weiter.
Nach einigem Suchen (Das GPS hatten wir am Motorrad in Dalci vergessen) fanden wir auch Heyko und seine Alp wieder. Schnell war die Honda zum Traktor geschoben und dort angeseilt worden.
Heyko steuerte das Motorrad zunächst bis zum besagten Hohlweg, wo ihn dann die Kräfte verließen. Hier sprang ein bärenstarker junger Rumäne in die Bresche. Er balancierte die Alp trotz sich nicht mehr drehender, schlammblockierter Räder immer mit einem Lächeln nach oben. Da ich bei der halsbrecherischen Fahrt öfters "langsam, langsam" zum Traktorfahrer rief, hatte der junge Mann dies schnell übernommen. "Laamsam, laamsam" rufend saß er lachend auf der Transalp und nannte seinen Traktorführer "Michael Schumacher"!
Aber auch die drei jungen Männer waren irgendwann mit ihren Kräften fast am Ende und mussten sich die eine oder andere Pause gönnen. Weder Heyko, Karsten noch ich waren in der Lage, entscheidend beim Transport des Motorrades zu unterstützen.
Doch nach einigen anstrengenden Stunden hatten wir die Alp bis zu dem Anhänger bugsiert und über einen Hügel auf den Anhänger geschoben. Die Rückfahrt nach Dalci war nur noch ein Klacks. Hier trennten sich unsere Wege: die Rumänen brachten Heyko`s Maschine nach Borlova zu Zacharias und wir machten uns auf den Heimweg, nicht ohne uns zuvor überschwenglich und ehrlich glücklich bei dem tollen Helferteam zu bedanken. Jeder der Helfer erhielt von Heyko noch ein gutes Taschengeld plus Zuschlag, das sich alle absolut verdient hatten. Gerne hätten wir noch einen Schnaps oder ein Bier mit ihnen getrunken, aber es war bereits 23.30 Uhr, wir waren total erschöpft, müde und es stand uns noch die Heimfahrt nach Brebu Nou bevor.
Aber auch diese meisterten wir (Heyko bei mir als Sozius) ohne Probleme nur leicht frierend. Um 00.15 Uhr wurde die Küche extra für uns noch einmal angefeuert und wir konnten unseren Hunger stillen. Nochmals herzlichen Dank an das super Küchen-Team.
Nach zwei oder drei Ursus und einer Dusche fielen wir in unseren Betten in einen tiefen Schlaf.
Der Rest der Story ist schnell erzählt. Am nächsten Tag fanden wir nach einem Tipp von Zacharias einen genialen Mechaniker in Borlova, der in seiner Hinterhofwerkstatt Heyko`s Maschine erst einmal einer einstündigen Reinigung unterzog, die Kupplung ausbaute, Lamellen und Federn einer Honda XR 500 einbaute und so die Alp wieder flott machte.
Zwischendurch fand ich Heykos Digitalkamera wieder, die er in der Nacht beim Verladen des Motorrades auf dem Hügel liegen gelassen hatte. Was ein Glück, denn sonst hätten wir nicht so tolle Fotos von der Rettungsaktion liefern können.
Dass wir nach so einem glücklichen Ausgang die nächsten Tage sehr relaxed in den Wettbewerb gehen konnten, war selbstredend und so verwunderte es zumindest Karsten nicht, dass wir mit unseren Dickschiffen (Heyko, Klemens und Dieter mit Transalp; Karsten mit seiner KTM; Dietmar mit Aprilia Pegaso; Kurt mit der BMW 1150 GS) am Ende den dritten Platz erreichten.
Das musste zusammen mit den Long Distance-Teilnehmern um Heike, Coockie und Per nach deren Rückkehr gebührend gefeiert werden.
Insgesamt waren wir von dem Land, den Leuten und den Möglichkeiten des Endurofahrens total begeistert und bestimmt nicht das letzte Mal in Rumänien.
Nur eines haben wir gelernt: es ist keine Schande, auch einmal umzukehren!
Dieter Vogel
Team Betablocker